Licht in der Dunkelheit

Es ist Winter, draußen ist es kalt und dunkel und wir machen das Licht im Tanzsaal aus und ziehen die Vorhänge zu – es ist wahrhaft zappenduster. Die Stimmung der Kinder knistert. Ich mache eine Taschenlampe an und wir sitzen beisammen und besprechen gemeinsam die Ideen des kommenden Tanzstücks. Es soll in der Dunkelheit spielen und über das Thema zu Bettgehen und Träume spielen, so meine Idee. Mascha Kaléko nimmt uns mit in die Welt der Träume und der Dunkelheit. Unser Tanzstück beginnt Ihrem Gedicht:

Der Mann im Mond

Der Mann im Mond hängt bunte Träume,
die seine Mondfrau spinnt aus Licht,
allnächtlich in die Abendbäume,
mit einem Lächeln im Gesicht.

Da gibt es gelbe, rote, grüne
und Träume ganz in Himmelblau.
Mit Gold durchwirkte, zarte, kühne,
für Bub und Mädel, Mann und Frau.

Auch Träume, die auf Reisen führen
in Fernen, abenteuerlich.
– Da hängen sie an Silberschnüren!
Und einer davon ist für DICH.

Mascha Kaléko

Jedes Kind sucht sich eine Gedichtzeile aus und macht zu seiner Zeile ein kleine Choreographie. WOW, denke ich, das wird ganz toll! Die Kinder sind emsig dabei ihre Ideen einzubringen, das Tanzen mit Taschenlampen macht sichtbar Freude – wir bringen selber Licht ins Dunkel und das Opening unseres Stücks ist fertig.

Für die kommende Stunde habe ich ein Buch mitgebracht – Nachts leuchten alle Träume* und wir sehen uns leuchtende Träume an. Die Kinder sehen selbst im Dunkeln viele Details – jeder sucht sich einen Platz und legt sich genüßlich auf den Boden.

 

 

Wir spüren unser passives Gewicht und unseren Fluss, lassen uns tragen von unseren Gefühlen, bewegen unseren Körper von dem was er braucht und reisen in das Land unserer eigenen Träume. Jedes Tanzkind ist ganz bei sich. Im Anschluss darf jeder seinen eigenen Traum malen. Hier sind einige Impressionen:

 

 

Abgesehen davon, dass wir die Bilder als Kulisse für unser Tanzstück nehmen, wird dies nun in einen tänzerischen Kontext gebracht unter den Gesichtspunkten von Zeit, Gewicht, Fluss und Raum. Anschließend stellen sich alle in einen Haufen – diesen Begriff nutze Jenny Gertz (o.J.), eine Meisterschülerin Labans, besonders gern:

“Haufen. Die Erziehung des Individuums erfolgte durch das Führen im Haufen. Das führende Kind war an der Spitze des Haufens, entwickelte seine Ideen, und die übrigen machten seine Bewegungen nach.
Da jedes Kind einmal führen konnte, nahm sich jeder vor, deutlich das auszudrücken was es wollte, denn bei undeutlichen und zu individuellen schwierigen Formen hatten die Anfänger keine rechte Lust zu kopieren.
Zweierlei war wichtig für das führende Kind, es mußte zunächst nicht zu schnell das Thema wechseln und möglichst einfache Bewegungen machen und auch daran denken, daß die Bewegungen hoch und groß waren, um am Ende des Haufens nachgemacht zu werden.
Auch hatte jeder, der nah hinter dem Führenden stand, die doppelte Pflicht, schnell zu begreifen, gut nachzumachen und sehr gut aufzupassen.“¹

So nahm jeder jeden mit in das Land der eigenen Träume.

Für mich ist es immer wieder beeindruckend mitzuerleben wie Kinder aus Tanzmprovisationen, mit Hilfestellungen, eine Choreographie entwickeln.

Zu den Träumen wurden auch herrliche Duette ausgearbeitet. Unser Tanzstück war nun fast fertig, es fehlte nur noch der Schluss, und ich versendete Einladungskarten an die Eltern – voller Stolz was die Kinder und ich geschafft haben.

“Ach, wir hören ab nächster Woche auf mit dem Tanzen.”

Schade, dachte ich, aber das schaffen wir und stellten einige Kleinigkeiten am Anfang, im Haufen und bei den Duetten um – die Kinder waren flexibel und lernten schnell die Choreographien um. Die Woche drauf:

“Du Stefi, an dem Aufführungstermin können wir nicht, da ist Musikschulfest und da machen 3 von den Tanzkindern mit.”

Okay, kein Problem wir verschieben die Aufführung. Die Woche drauf brachte ich neue Einladungskarten mit:

“Stefi, das Tennistraining ist auf Freitag verschoben worden, heute sind wir das letzte Mal da.”

Okay, wir schaffen das sagt ich zu den Kindern und wir stellten den Anfang, den Haufen und die Duette um – die Kinder waren flexibel und lernten fix. Die Woche drauf:

“Stefi, an diesem Aufführungstermin da können wir nicht, da ist Klassenfahrt.”

Nun fing es definitiv an, auch wenn ich ein Mensch mit viel Verständnis bin, in meiner Magengegend zu grummeln. Aber in der Dunkelheit gibt es immer ein Licht! Ich sagte den Kindern:

“Wir stellen unser Stück um, aber wir schaffen das!”

Wir machten uns an die Arbeit und stellten den Anfang, den Haufen und die Duette um. Die Kinder haben unglaublich viel geleistet. Sie haben schnell gelernt und sich immer wieder auf neue Situationen eingelassen – ich würde sagen: Ganz großes Kino!

Wir gestalteten letzte Woche gemeinsam noch ein Ende, denn leider waren wir bisher nicht dazu gekommen…

Ich habe selber viel gelernt für die Zukunft – ich werde im Vorfeld Elternbriefe verschicken, sodass auch die Eltern ein wenig mehr in unsren Probenprozess involviert werden. Und nächste Woche ist es soweit – unsere Aufführung hat Weltpremiere!

Ich wünsche Anna, Judith, Carolin, Rita, Smilla und Marie ein ganz großes Toi Toi Toi!

 


Quellenangaben

¹ Gertz J. (Ohne Jahresangabe). Nachlass Jenny Gertz. Tanzarchiv Leipzig Gruppenformen. Ordner-5 Nr. 94-001,002, 004.

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4 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Karla am 9. Juli 2017 um 23:30

    Das sind wunderschöne Traumbilder, die da aus den Kindern geflossen sind. Da hätte ich gerne mit im dunkeln gesessen 🙂 Zauberstimmung!



    • Veröffentlicht von Stefi Schmid am 10. Juli 2017 um 12:51

      Liebe Karla,
      ja eine Zauberstimmung war es tatsächlich – und das ´Bühnenbild` von den Kindern war grandios.



  2. Veröffentlicht von Marianne Schmid am 11. Juni 2017 um 9:01

    Toller Blog und ich freue mich heute schon, nächste Woche dabei zu sein



    • Veröffentlicht von Stefi Schmid am 11. Juni 2017 um 16:49

      Liebe Marianne, ich freue mich auch sehr, dass du bei der Weltpremiere von ´Licht in der Dunkelheit` als Ehrengast dabei bist. Liebe Grüße und bis Freitag Stefi



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