Ich stehe am Bahnhof Südkreuz mit meinem Mary Poppins Tanzkoffer und fahre nach Frankfurt. Denn ich wurde eingeladen an einem besonders spannenden Projekt für einen Tag mitzuwirken. Die Künstlergruppe Ligna hat 2013 das Projekt »Tanz aller – Ein Bewegungschor«, welches vom Tanzfonds Erbe gefördert wurde, aufgeführt. Es ist bewegungschorisches Tanzen, welches in den 1920er Jahren sehr üblich war – heute ist es ein Stück in Vergessenheit geraten und die Künstlergruppe Ligna hat eine Möglichkeit geschaffen bewegungschorisches Tanzen umzusetzen. So erhalten die Tanzenden Kopfhörer aus denen Worte klingen, die in Bewegung umgesetzt werden. Dies war allerdings 2013 und heute schreiben wir das Jahr 2018.

Seit längerer Zeit beschäftigen sich Ole Frahm, Torsten Michaelsen und Michael Hüners mit Jenny Gertz, vor allem mit dem politischen bewegungschorischen Tanzen und sie wollten schon seit längerer Zeit ein Tanzstück mit Kindern entwickeln, welches auf Ideen von Jenny Gertz beruht. So landete an einem Morgen eine bezaubernde E-Mail in meinem Postfach ob ich nicht Lust hätte mit einer Wiesbadener Klasse einen Projekttag zu machen.

Nun stehe ich mit meinem Mary Poppins Tanzkoffer in Berlin und fahre nach Frankfurt, wo ich Ole Frahm und Torsten Michaelsen von Ligna und Sina Schönfeld von der Tanzplattform Rhein-Main kennenlerne und wir uns gemeinsam einstimmen auf das Projekt »Klasse Kinder!¹«, welches am nächsten Tag stattfindet. Wir schauen alte Fotos von Jenny Gertz an, lesen ein wenig Labannotation und ich darf Einblick erhalten in ihr Buch, welches bald veröffentlicht wird. Es war rundherum ein wundervoller Abend – doch es heißt früh aufstehen und so trabe ich durch Frankfurt an schönen Gründervillen und duftenden Blumen vorbei ins Hotel.

Wir stehen alle gemeinsam am Donnerstag morgen am Frankfurter Bahnhof um nach Wiesbaden zu fahren, denn dort erwartet uns eine Wiesbadener 4. Klasse um mit ihnen zu tanzen. Ich bin ein wenig aufgeregt, wäre ja auch schlimm wenn nicht. Viele Kinder stürmen in den Bewegungsraum und blicken mich mit offenen Kinderaugen an, was da wohl geschehen mag an diesem Tag? Ich stellte mich kurz vor und wir gehen gleich in die Bewegung – die Kinder haben mit einer ortsansässigen Choreographin schon ein wenig Bewegungserfahrung gesammelt und lassen sich schnell auf die Spiele von Jenny Gertz ein.
Wir üben nicht, sondern wir spielen – heraus kommen tausende von Möglichkeiten sich zu bewegen – alle haben viel Freude und ich bin zutiefst beeindruckt wie konzentriert die Kinder sind.

 

Klasse Kinder - Tanzworkshop Stefi Schmid

 

Wir haben ganz wunderbar unsere Muskeln erwärmt, den Raum und unsere Mitmenschen wahrgenommen – nun sind wir bereit für die sogenannten Aktionstriebe. Diese hatte Laban entwickelt und stammen aus dem alltäglichen Leben – so sind sie auch für jeden »Nichttänzer« zugänglich, denn jeder kennt die Begrifflichkeit wie schweben, stoßen, gleiten, peitschen, tupfen, wringen, flattern und drücken. Jenny Gertz hatte es damals anders benannt so war zum Beispiel das Gleiten ein Streicheln – vielleicht lag es daran, dass Laban es noch nicht konkret benannt hatte oder sie es für die Kinder modifiziert hat. Wer weiß?

 

Aktionstriebe Laban bei Klasse Kinder

 

Wir sehen uns die Aktionstriebe an – um sie dann umzusetzen. Für die Kinder ist glasklar wie schweben, stoßen, gleiten, peitschen, tupfen, wringen, flattern und drücken geht. Wir finden Geräusche zu jedem Aktionstrieb – es wird also laut und ein wenig wild – das ist ganz üblich wenn wir mit den sogenannten Antrieben tanzen. Torsten Michaelsen nimmt unsere Geräusche auf. Voraussichtlich klingt es unglaublich lustig sich das im Nachhinein anzuhören.

Doch wir wollen nun auch in das bewegungschorische Tanzen eintauchen. So gehen die Kinder zu zweit zusammen – also ein Mädchen und ein Junge – und ja ich weiß das ist nicht immer einfach. Wir spiegeln als erstes unsere Bewegungen und es ist gar nicht so leicht den anderen ganz genau nachzumachen. Anschließend bewegen wir uns mit unserem Schatten durch den Raum. Die Hälfte der Kinder schaut zu um danach zu reflektieren was verbessert werden könnte. “Viel langsamer wäre gut!” oder “Wenn was neues kommt, könnte man ja eine Figur einbauen” – so kamen die Kinder von selbst auf schöne Lösungen, dass ihr Tanz gelingt. Nach der Pause schnappte sich jemand Jennys Fotoalbum, welches ich mitgebracht hatte, und es wurde geguckt und gestaunt, zum Beispiel dass auch Blinde Kinder tanzen können.

 

Jenny Gertz bei Klasse Kinder mit Stefi Schmid

 

Ausgeruht und mit neuen Bildern im Kopf gehen wir in das bewegungschorische Tanzen. Vorne steht einer, dieser ist der »Anführer« und die Hintermänner folgen – ähnlich einem Vogelschwarm. Das ist gar nicht so leicht vorne zu stehen, denn man sollte natürlich selber wissen was man machen möchte um die anderen zu leiten und es sind alle Augen auf einen gerichtet, da kann einem schon einmal das Herz in die Hosentasche rutschen! Die Kinder integrieren die Aktionstriebe und heraus kommen Bewegungsfolgen, die besonders variantenreich sind.

 

Bewegungschor bei Klasse Kinder mit Stefi Schmid

 

Doch nun hieß Abschied nehmen! Ich bin gespannt wie es mit diesem fabelhaften Projekt weitergeht und wieviel Kinder mit Kopfhörern auf den Ohren von diesem Projekt profitieren können, wenn es öffentlich wird.

Mehr zu »Klasse Kinder!¹« und die aktuellen Aufführungsdaten findest Du hier.

Wenn Du mehr über Jennys Spiele, bewegungschorisches Tanzen oder Tanzen mit Blinden Kindern erfahren möchtest – dann hüpfe rüber zum Videokurs Pionierinnen des Kindertanzes – Jenny Gertz.

Hier entlang zum Videokurs


¹»Klasse Kinder!« ist eine Produktion von Künstlerhaus Mousonturm und Hessischem Staatsballett im Rahmen der Tanzplattform Rhein-Main und dem Künstlerkollektiv LIGNA in Koproduktion mit Kampnagel und Hellerau. Gefördert durch NATIONALES PERFORMANCE NETZ (NPN) Koproduktionsförderung Tanz, gefördert von den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Die Tanzplattform Rhein-Main, ein Projekt von Künstlerhaus Mousonturm und Hessischem Staatsballett, wird ermöglicht durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und ist gefördert vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Stiftungsallianz [Aventis Foundation, BHF BANK Stiftung, Crespo Foundation, Dr. Marschner-Stiftung, Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main].

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